Hypnosetherapie zu allen Zeiten
Hypnose und Hypnosetherapie gehören zu den ältesten überhaupt nachweisbaren Therapieformen der Menschheitsgeschichte, wiewohl unterschiedliche Namen und Bezeichnungen für das verwendet wurden, was man heute »Hypnose« bzw. »Trance« nennt.
Aus erhaltenen Keilschriften der Länder am Euphrat und Tigris weiss man, dass das älteste Kulturvolk der Menschheit, die Sumerer, bereits viertausend Jahre v. Chr. erfolgreich mit Hypnose gearbeitet und therapiert hat. Aus Ägypten stammt einer der ältesten Hypnosetexte überhaupt: Der Papyrus Eber, eine Schriftrolle, die 1500 Jahr v.Chr. niedergeschrieben wurde. In Ägytpten waren die Isis- und Serapiskulte bekannt, die man als Tempelschlaf kennt und von den alten Griechen unter dem Namen Asklepios-Kulte bzw. -Heilungen angewendet wurden. Die alten Griechen verfeinerten die Tradition der Schlaftempel zur Behandlung psychischer Leiden. Dazu nutzten Mönche einen leichten Schlafzustand der Patienten und gaben ihnen währenddessen positive Suggestionen. Das waren die Anfänge von etwas, was man als »Psychotherapie« bezeichnen könnte, schon in der griechischen Antike. Die Patienten hielten die Stimmen für göttliche Botschaften und glaubten fest an eine Heilung. Diese Behandlungsform im Halbschlaf bewirkte mitunter erstaunliche Ergebnisse. Im Jahr 291 v. Chr. wurde der Kult des Tempelschlafes aufgrund seiner heilenden Wirkung von den Römern übernommen.
Der Begriff »Hypnose« leitet sich vom griechischen Wort »hypnos« ab, das soviel wie Schlaf bedeutet. Im medizinisch-therapeutischen Bereich wurde der Begriff erst Anfang des 19. Jahrhunderts vom englischen Arzt James Braid geprägt. Allerdings hat die moderne Form der Hypnose mit Schlaf nur mehr am Rande zu tun, insofern ist der Begriff mit seiner Wurzel im Schlaf unscharf. Dies hat auch Braid erkannt; aber da war es für einen neuen, vielleicht treffenderen Begriff schon zu spät. Hypnose bzw. Trance ist ein Zustand zwischen Wach- und Schlafzustand:
Der Klient ist entgegen der Vermutung, die man mit der Ableitung des Wortes Hypnose verbindet, in der Regel auf eine besondere Weise sehr wach und konzentriert.
Aus der jüngeren Geschichte der Hypnose ist der Name Franz Anton Mesmer (1734-1815) nicht wegzudenken. Er war es, der das Bild der Hypnose im 17. Jahrhundert nachhaltig geprägt hat und ihr – zu Unrecht – die Aura des Phantastischen verlieh. Er bemerkte, dass für das Erreichen eines hypnotischen Trancezustandes keine besonderen Hilfsmittel und auch kein Halbschlaf nötig waren und führte dies auf dem ihm eigenen »Magnetismus« zurück. Er übertrug dieses »magnetische Fluidum« auf seine Patienten, indem er diese von oben nach unten körperlich abstrich. Daher leitet sich auch der recht bekannte Begriff der mesmerischen Streichungen ab. Die von Franz Anton Mesmer entwickelte Methode der Hypnose sorgte schnell für Schlagzeilen und so kam es auch, dass seine Aufsehen erregenden Heilerfolge in der Ärzteschaft für Feindseligkeiten sorgten. Daraufhin floh er nach Paris, wo er sogar Marie-Antoinette und andere Mitglieder des französischen Hofs behandelte und sich so ihres Schutzes sicher sein konnte.
Ein weiterer wichtiger Vertreter der heutigen Suggestionslehre war der bekannte portugiesische Abbé Faria (1755 – 1819). Er hatte hypnotische Trancezustände in Indien studiert und war der Überzeugung, dass man keinerlei magnetisches Fluidum benötigte, um einen Trancezustand zu erreichen. Er glaubte ausschließlich an die Wirkung des Wortes und der Suggestion.
Stark zur Weiterentwicklung der seriösen und wissenschaftlich fundierten Hypnose beigetragen hat auch der englische Augenarzt James Braid (1795 – 1860). Er wollte der Hypnose wissenschaftlich auf den Grund gehen und sich neutral mit ihr beschäftigen. Mehrere Personen aus seinem Familienkreis mussten für Experimente »herhalten«, bis er eindeutige Beweise für die Wirksamkeit der Hypnose erhielt. Durch seine Untersuchungen wurde James Braid gewissermaßen „unfreiwillig“ zum ersten englischen Psychotherapeuten, der Hypnose für positive Veränderungsprozesse einsetzte.
Er war es auch, der den Begriff Hypnose schuf (s.o.), weil er durch die Fixierung der Augen auf einen Gegenstand Müdigkeit hervorrief und daraus einen schlafähnlichen Zustand ableitete. Seine Ergebnisse veröffentlichte er in einem Buch, das im Jahr 1843 in England erschien. Leider erntete er zu dieser Zeit nur den Spott seiner Kollegen, die auf ihre schulmedizinische Lehre beharrten und anderen Heilmethoden keinen Raum ließen.
Der Pariser Arzt A. A. Liébeault ließ sich nicht davon beirren, überprüfte die Ergebnisse Braids und fand sie bestätigt. Auch er veröffentlichte seine Ergebnisse in einem im Jahr 1866 erschienenen Buch und erntete genau wie Braid viel Ungläubigkeit und Spott. Erst viele Jahre später nahm sich Professor Hypolyte Bernheim von der Universität Nancy seines Buches an und schenkte ihm die gebührende Aufmerksamkeit. Er beschäftigte sich intensiv mit hypnotischen Phänomenen und veröffentlichte seinerseits im Jahr 1886 darüber ein Buch.
Mittlerweile gewann die Hypnose durch eine derartige wissenschaftliche Anerkennung mehr und mehr an Bedeutung und wurde sogar offiziell in der medizinischen Klinik in Nancy für vielerlei Leiden erfolgreich eingesetzt. Gemeinsam mit Liébeault schuf Prof. Bernheim die so genannte »Schule von Nancy« und begründete damit den Beginn der wissenschaftlichen Anwendung der Hypnose. Ein Schüler dieser Lehre war u.a. auch Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse.
Sigmund Freud war von der Hypnose fasziniert und reiste oft nach Frankreich, um sich dort unterweisen zu lassen. Parallel zur Schule von Nancy arbeiteten berühmte Ärzte wie August Forel, Emile Coué und Ch. Baudouin an der Erforschung der Hypnose.
Emile Coué (1857 – 1926) war es, der die Lehre von der Autosuggestion entwickelte und zu Recht behauptete, dass jede Hypnose auch eine Selbsthypnose sei, wobei der Hypnotiseur nur eine sehr starke Vorstellungskraft im Patienten hervorrief. Er prägte wirksame Suggestionen wie »Mir geht es von Tag zu Tag in jeder Hinsicht immer besser und besser«.
In starkem Gegensatz zur Schule von Nancy stand Jean Martin Charcot (1825 – 1893), der Oberarzt an der Heilanstalt »La Salpetrière« in Paris war. Als Professor der pathologischen Anatomie genoss er international einen ausgezeichneten Ruf. Sein Wort hatte großes Gewicht und begeisterte neben Sigmund Freud auch andere großen Geister der damaligen Zeit. Er begründete die so genannte Pariser Schule, die im Gegensatz zur Schule von Nancy mit geisteskranken Menschen arbeitete.
In neuerer Zeit ist I.H. Schultz für die Wiederbelebung der Hypnose als therapeutische Methode zu danken. Mit dem Autogenen Training entwickelte er ein einfaches Verfahren der Selbsthypnose. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es vor allen Dingen der Arzt und Hypnosetherapeut Milton Erickson. Er entwickelte die nach ihm benannte, indirekte Hypnosetechnik, die er zusammen mit dem Ärzteehepaar Rossi in den 1980er Jahren dokumentierte und anhand von Beispielen erläuterte.
In den letzten 20 Jahren gibt es gerade im deutschsprachigen Raum wichtige Weiterentwicklungen für die Psychotherapie durch Agnes Kaiser Rekkas, Gunther Schmid, J. Philip Zindel, Hans Kanitschar (um nur einige zu nennen). Die Hypnose kann in allen Bereichen der Psychotherapie, die psychotherapeutischen Medizin, der klinischen Hypnose, der Hypnotherapie angewendet werden.